Meteo im Gebirge

FOCA SAND 2022-007

Wenn der Talwind zum Bergwind wird

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Jede Pilotin und jeder Pilot, die in der Schweiz die Ausbildung absolvieren, kennen den Maloya Wind, ein Windsystem, das eine Lee-Situation im Bereich des Flugplatzes Samedan erzeugt. In Unkenntnis dieses Windes ist dies schon vielen Piloten zum Verhängnis geworden. Was aber genau ist die meteorologische Ursache? Kurz gesagt verdrängt an einem Schönwettertag mit Tagesgang-Wetter das kräftige Bergeller Talwindsystem, das sich von Chiavenna Richtung Maloya-Pass aufbaut, den schwachen Talwind des Oberengadins zwischen Zernez und Maloya-Pass. Der Talwind wird also zu einem Bergwind, der vom Maloya-Pass Richtung Samedan bläst. Und so befinden wir uns kurz nach einem Start auf Piste 21 im Lee – in einem Downdraft, der die Steigperformance eines Kleinflugzeuges schnell einmal übersteigen kann. Als versierte Luftraumbenutzer wissen wir aber auch, dass mit einer entsprechenden Taktik dieser vermeintlichen Gefahr entgegnet werden kann: wir drehen nach dem Start in den Downwind – im Bewusstsein, dass wir kurzfristig sinken, aber dennoch konsequent unsere Lage und Geschwindigkeit halten – und gewinnen dadurch Höhe, bevor wir via Upwind mit genug Überhöhung Richtung Maloya-Pass weiterfliegen.

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In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass diese Situation, bei der ein Talwind zu einem Bergwind wird, bei einigen weiteren Passübergängen vorkommt. Diese auf Passhöhe aufeinandertreffenden Alpentäler können unterschiedlich ausgerichtet sein, verscheiden breit und tief sein und mit unterschiedlichem Bewuchs respektive Stein und Fels ausgestattet sein. Schlussendlich führt dies zu unterschiedlicher Einstrahlung und somit Erwärmung – was der Antrieb für den Talwind ist.

Uns Piloten ist diese Umkehrung des Windes weniger bewusst, weil wir mindestens 1000 ft überhöht fliegen und so einer Lee-Situation gar nicht begegnen. Besondere Aufmerksamkeit gilt es aber dort zu geben, wo sich in einem Alpental – wie im Fall von Samedan – ein Flugplatz befindet und wir in Bodennähe operieren.

So verwundert es auch nicht, dass es auf der VAC-Karte von Samedan heisst: Einweisungspflicht, und auf Flugplätzen wie Saanen, Ambri, Münster, Mollis, Reichenbach: AD im Gebirge. Einweisungsflug empfohlen.

Walzen und Rotoren in Tälern

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Strömt ein Gradientwind (Windströmung aufgrund eines Druckunterschiedes) quer zu einem Alpental, so erwarten wir Abwind im Lee und Aufwind im Luv. Wenn nun aber dieser Gradientwind aufgrund einer speziellen Schichtung der Atmosphäre (Stichwort Kaltluftsee im Tal) das Tal überströmt und nicht der Topografie folgt, so können sich im Tal kleine Windsysteme bilden, die durch den darüber strömenden Wind angetrieben werden. So befinden wir uns plötzlich in Abwindsituationen, wo wir eigentlich Aufwind erwarten. Auch hier, im Falle von starken Windenströmungen quer zum Tal, sind wir gut beraten, wenn wir nicht zu nahe der Topografie folgen und einen genügend grossen Abstand dazu einhalten.

Im Tal rechts fliegen?

Die uns allerseits bekannte Regel besagt, dass wir rechts im Tal fliegen, und somit vom entgegenkommenden Luftverkehr separiert sind. Angenommen wir fliegen während einer Westwindlage von der Nordschweiz in die Südschweiz. Die Alpentäler sind grösstenteils nord-süd ausgerichtet. Wenn wir nun stur rechts im Tal fliegen, dann ergibt sich aufgrund des Windes, der von uns aus gesehen von rechts kommt, eine Lee-Situation. Was machen wir dagegen? Auf keinen Fall sollten wir auf die linke Talseite ausweichen, und so die Verkehrsregeln verletzen. Wir sind jedoch gut beraten, wenn wir etwas mehr zur Talmitte korrigieren und vor allem überhöht fliegen und so dem Wind, welcher der Topografie folgt, ausweichen.

METAR reicht nicht für einen Alpenflug!

Im Jahre 2007 verunfallte ein Flugzeug auf einem VFR-Flug von Florenz nach Zürich, als er in der Nähe des Gotthardpasses in IMC einflog. Unter anderem kam es soweit, weil der Pilot sich nur mit METAR und TAF von Florenz, Mailand und Zürich briefte. Der ganze Alpenraum war somit wie ein «schwarzes Loch». In den METARs und TAFs aus Italien erkannte man mögliche Gewitter im späteren Verlauf des Tages, in denen von Zürich überwiegte CAVOK. Leider stauten sich nun aber Wolken auf 7’000 – 8'000 ft von Süden her am Alpenhauptkamm, was im METAR und TAF von Lugano ersichtlich gewesen wäre – der Pilot aber nicht wusste. Noch deutlicher zeigte sich das auf Satellitenbilder und vor allem auf dem GAFOR, bei dem zur Zeit des Unfalls die Passübergänge X-Ray vorhersagten.

Leider ist dies nicht der einzige Unfall, bei dem auf einem Alpenflug wichtige Flugwetterinformationen gefehlt haben und dieser Mangel an Informationen zum Unfall beigetragen hat. Es ist deshalb überlebenswichtig, dass ein gut vorbereiteter Pilot alle zur Verfügung stehenden Wetterinformationen einholt, allen voran die offiziellen der jeweiligen Flugwetterdienste. Das sind in der Schweiz neben METAR, TAF, Radar- und Satellitenbilder auch die für die jeweiligen Anspruchsgruppen publizierten Meldungen. Für den VFR-Piloten sind dies der Flugwetterbericht, das GAFOR und die LLSWC

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Letzte Änderung 02.11.2022

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