Problematik der Betankung mit falschem Treibstoff bei fast identischen Flugzeugen mit unterschiedlichem Antrieb

FOCA SAND 2024-001

Anlass

Die Betankung eines Luftfahrzeugs gilt als Routinearbeit. Ein Fehler kann jedoch schwerwiegende Folgen haben. Auch wenn einheitliche Normen, standardisierte Abläufe und klare Instruktionen den Betankungsvorgang grundsätzlich sicher machen, kommt es immer wieder vor, dass Luftfahrzeuge mit dem falschen Treibstoff betankt werden. Dabei spielen die vorhandene Infrastruktur, aber auch die Normenkonformität der Luftfahrzeuge eine zentrale Rolle. Anders als im Strassenverkehr können die Konsequenzen einer unbemerkten Falschbetankung in der Luftfahrt fatal sein, wenn der Fehler nicht vor dem Abflug erkannt wird. Denn die Triebwerke lassen sich zwar mit der noch verbleibenden Menge an korrektem Treibstoff im System (Tank, Pumpen und Schläuchen) starten und auch das Abheben ist oftmals noch möglich. Allerdings kann es danach zu Störungen oder gar zu einem Triebwerksausfall kommen.

Analyse der Vorfälle in der Schweiz

Flugzeugtyp Jahr Vorfallkategorie Beschreibung
PIPER
PA46
500TP
2018 Schwerer Vorfall

Betankung mit AvGas 100LL anstelle von Jet A-1: Der Tankwart legte die Schutzmatte auf den Flügel um die Tankdeckel, öffnete beide Tankdeckel und rollte den Schlauch bis zum Flügeltank aus. Danach legte er den Schlauch kurz auf den Boden, um das Erdungskabel anzuschliessen.

Die Schutzmatte verdeckte die grossen Aufkleber mit der Aufschrift «Jet Fuel only» neben dem Tankdeckel.

Als der Pilot ankam, erklärte er dem Tankwart, dass sein Flugzeug Jet A-1 und nicht etwa AvGas 100LL benötige.

Der Tankwart war sich dessen nicht bewusst und auch die Aufkleber bei der Tanköffnung waren ihm u. a. wegen der Schutzmatte nicht aufgefallen.

PIPER
PA46
500TP
2019 Schwerer Vorfall Betankung mit AvGas 100LL anstelle von Jet A-1: Das Flugzeug wurde irrtümlicherweise mit rund 60 Litern AvGas 100LL betankt. Der Fehler wurde während des Betankungsvorgangs erkannt, der daraufhin unverzüglich abgebrochen wurde. Ein Wartungsbetrieb liess den falschen Treibstoff in der Folge ab. Anschliessend wurde das Flugzeug mit dem richtigen Treibstoff (Jet A-1) betankt.
PIPER
PA46
350P
2021 Schwerer Vorfall

Betankung mit Jet A-1 anstelle von AvGas 100LL:

Direkt nach der Betankung einer Malibu Meridian Turboprop mit Jet A-1 wurde der Tank am rechten Flügel einer PA-46-350P Malibu Mirage mit 83 Litern Jet A-1 befüllt. Der Fehler wurde erkannt und der Vorgang sofort gestoppt. Ein Wartungsbetrieb entleerte anschliessend den betroffenen Tank. Nach der Entleerung wurde die PA-46-350P mit dem richtigen Treibstofftyp (AvGas 100LL) betankt.

PIPER
PA46
500TP
2023 Schwerer Vorfall

Betankung mit AvGas 100LL anstelle von Jet A-1: Der Tankwart tankte eine Piper Turboprop versehentlich vollständig mit AvGas 100LL auf.

Das Flugzeug trug die Aufschrift Piper Malibu Mirage. Dieser Flugzeugtyp wird normalerweise mit AvGas 100LL betrieben. Allerdings war der Kolbenmotor in ein Turboprop-Triebwerk umgebaut worden, das Jet A-1 benötigt.

Da der Pilot vor Ort war, konnte der Fehler rasch erkannt werden.

Der rund 130 Liter fassende Tank wurde entleert und das Flugzeug anschliessend mit 400 Litern Jet A-1 befüllt.

Die PA46: eines der bezüglich potentieller Falschbetankung problematischen Flugzeuge

Bild1
Piper Malibu Mirage (PA46-350P) mit Kolbenmotor (AvGas 100LL)
Bild2
Piper Malibu Meridian (PA46-500TP) mit Turboprop-Triebwerk (Jet A-1)

Die beim BAZL eingegangenen Vorfallberichte zeigen deutlich, dass die Problematik der inkorrekten Flugzeugbetankung oftmals die Piper PA46 betrifft. Dieses Flugzeug gibt es nämlich mit unterschiedlichen Antriebssystemen. Von aussen betrachtet sehen diese beiden Modelle praktisch identisch aus, doch benötigen sie nicht den gleichen Treibstoff.

Die einzigen äusserlich erkennbaren Unterschiede sind die Abgas-Auslassstutzen und die Propeller. Bei bestimmten Flugzeugen des Typs Piper PA46-350P Malibu Mirage wurde der Kolbenmotor durch ein Turboprop-Triebwerk (Jet A-1) ersetzt, ohne dabei den Schriftzug auf dem Rumpf und auf der Erkennungsmarke entsprechend anzupassen. Diese Luftfahrzeuge tragen somit weiterhin die Aufschrift «Piper Malibu Mirage». Es ist also durchaus möglich, eine PA46-350P mit einem Turboprop-Triebwerk anzutreffen. Welche Treibstoffart erforderlich ist, lässt sich also nicht alleine am Flugzeugtyp festmachen.

Information Box
i

Die Beschriftung auf dem Luftfahrzeug oder der Erkennungsmarke können irreführend sein. Aus diesem Grund sollte immer anhand anderer Merkmale wie Propeller, Auspuff und der Aufkleber neben der Tanköffnung überprüft werden, welcher Treibstoff benötigt wird.

Flugzeuge der General Aviation mit verschiedenen Triebwerken

Das Problem, dass praktisch identisch aussehende Flugzeuge ein unterschiedliches Antriebssystem besitzen, besteht nicht nur bei der PA46, sondern auch bei anderen, in der Schweiz häufig anzutref-fenden Flugzeugtypen wie beispielsweise der Robin DR400, der Cessna C172, der Diamond DA40 oder der Piper PA28.

Bild3
Robin DR401-160 mit Kolbenmotor (AvGas 100LL)
Bild4
Robin DR401-155 mit Dieselmotor (Jet A-1)

Ein Fehler ist schnell geschehen. Deshalb sollten Pilotinnen und Piloten sowie das Betankungspersonal vor dem Tanken immer den Aufkleber neben der Tanköffnung kontrollieren, auf welchem die Art des Treibstoffs angegeben ist. Im Zweifelsfall sollten etwaige Fragen unbedingt vor dem Betanken geklärt werden.

Bild links: Diamond DA40 XLT mit Kolbenmotor (AvGas 100LL)
Bild rechts: Diamond DA40 NG mit Dieselmotor (Jet A-1)

Ein weiteres Beispiel sind die beiden Modelle der DA40, die sich äusserlich normalerweise unterscheiden. So verfügt die DA40 NG über vertikale Winglets und einen rechteckigen Lufteinlass und wird mit Jet A-1 betrieben. Daneben gibt es allerdings auch eine DA40 D, die ebenfalls Jet A-1 benötigt, jedoch die gleichen äusseren Merkmale (schräge Winglets und dreieckiger Lufteinlass) aufweist wie die DA40 XLT, die wiederum mit AvGas 100LL betankt werden muss.

Information Box
i

Auch wenn der Flugzeugtyp bekannt ist, sollte stets der Aufkleber neben der Tanköffnung überprüft werden.

Beschriftungen und Farbcode

Um die Gefahr einer Falschbetankung von Luftfahrzeugen zu vermeiden, müssen die Zapfsäulen an Treibstoffanlagen und Betankungsfahrzeugen unterschiedliche Farben haben. Je nach Treibstoffart sind die Zapfventile (Zapfpistolen) an festen sowie mobilen Treibstoffanlagen mit einem unterschiedlich farbigen Schutzüberzug inklusive Produktplakette auszurüsten. Zusätzlich zu den Beschriftungen soll dieser Farbcode eine leichte Identifizierung des jeweiligen Treibstoffs ermöglichen.

Bild7
Auszug aus der Richtlinie AD I-007: Treibstoffanlagen und Betankung von Luftfahrzeugen auf Flugplätzen

Aufkleberfarbe

Die Aufkleber neben der Tanköffnung haben jedoch nicht immer die gleiche Farbe wie die Zapfpistole. Aus diesem Grund müssen Pilotinnen und Piloten oder das Betankungspersonal überprüfen, welcher Treibstoff gemäss der Inschrift des Aufklebers benötigt wird.

Der erste Tankdeckel gehört gemäss Aufkleber zu einem Flugzeug, das mit Jet A-1 betrieben wird. Die beiden anderen Deckel sind Beispiele, welche bei Flugzeugen, die AvGas 100LL benötigen, anzutreffen sind.

Information Box
i

Die Aufkleberfarbe ist keine Orientierungshilfe für den zu verwendenden Treibstoff.

Tankdeckelfarbe

Für die Farbgebung der Tankdeckel gibt es keine einheitlichen regulatorischen Vorgaben. Da diese den Herstellern überlassen ist, sind alle möglichen Varianten anzutreffen:

Der erste Tankdeckel gehört gemäss Aufkleber zu einem Flugzeug, das mit AvGas 100LL betrieben wird. Die beiden anderen Deckel sind Beispiele, welche bei Flugzeugen, die Jet A-1 benötigen, anzutreffen sind.

Information Box
i

Die Tankdeckelfarbe ist keine Orientierungshilfe für den zu verwendenden Treibstoff.

Schutz der Luftfahrzeuge während des Betankens

Beim Betanken von Flugzeugen ist es üblich, eine Schutzmatte aus Silikon auf die Tragfläche zu legen, um Schäden zu vermeiden. Leider wird dadurch die Beschriftung mit dem zu verwendenden Treibstofftyp verdeckt, die sich direkt neben dem Tankdeckel befindet. Aufgrund dieser Praxis kann ein potenzieller Fehler nicht direkt während des Betankens erkannt werden.

Bild14
Silikonmatte zum Schutz der Tragfläche beim Betanken.
Information Box
i

Wenn keine transparente Schutzmatte verfügbar ist, sollte vor dem Auflegen einer Silikonmatte immer der Aufkleber neben der Tanköffnung kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass der richtige Treibstoff verwendet wird.

Orientierungshilfe

Um zu bestimmen, welchen Treibstoff ein Luftfahrzeug benötigt, sollte nicht nur ein einziges Element wie der Flugzeugtyp oder die Treibstoffkennzeichnung berücksichtigt werden, sondern eine Kombination verschiedener, relevanter Informationen. Bestehen Zweifel über die Art des zu verwendenden Treibstoffs, muss die Situation vor dem Betankungsvorgang geklärt werden.

Empfehlungen für Flugzeughalterinnen und Flugzeughalter, Pilotinnen und Piloten sowie das Betankungspersonal

  • Flugzeughalterinnen und Flugzeughalter wird dringlich empfohlen, darauf zu achten, dass bezüglich Tankdeckelfarbe und der Farbe der Aufkleber keine Widersprüche mit den Farbcodes der Zapf-pistolen gemäss EI Standard 1542 bestehen (z. B. keine roten Tankdeckel für Jet A-1).
  • Jede Person, die ein Luftfahrzeug auftankt, muss sich zuvor vergewissern, dass die Beschriftung neben der Tanköffnung mit der Produktplakette der Zapfpistole übereinstimmt, d. h. dass beide Male dieselbe Treibstoffart angegeben ist.
  • Das Betankungspersonal muss entsprechend geschult sein, damit es die Besonderheiten eines benzin- oder kerosinbetriebenen Flugzeugmotors unterscheiden kann. Vor jedem Betankungsvor-gang hat es die Aufkleber am Luftfahrzeug, die auf den zu verwendenden Treibstoff hinweisen, zu kontrollieren. Bei einer offenen Betankung sollte das Betankungspersonal das Luftfahrzeug immer in Anwesenheit der Pilotin oder des Piloten befüllen.
  • Es empfiehlt sich, transparente Schutzmatten aus Silikon zu verwenden, damit der Aufkleber neben der Tanköffnung, auf dem die benötigte Treibstoffart angegeben ist, immer sichtbar ist.
  • Erfolgt die Betankung durch Drittpersonen und nicht direkt durch die Pilotinnen oder Piloten, wird empfohlen, dass Letztere nach dem Vorgang – beispielsweise durch eine Unterschrift auf dem Betankungsformular – bestätigen, dass das Luftfahrzeug mit dem richtigen Treibstoff befüllt worden ist.

Weitere Quellen

SAND in PDF Format

Fachkontakt
Letzte Änderung 02.02.2024

Zum Seitenanfang

Kontakt

Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL)
Abteilung Sicherheit Infrastruktur SI
Sektion Flugplätze und Luftfahrthindernisse SIAP
3003 Bern

aerodromes@bazl.admin.ch

Kontaktinformationen drucken

https://www.bazl.admin.ch/content/bazl/de/home/themen/sicherheit/sicherheits-und-risikomanagement/safety-promotion/empfehlungen--sand-/foca_sand_2024_001.html