Die Grenzen des Wahrnehmungsvermögens – Effektivität von “see and avoid“ zur Verhinderung von Zusammenstössen

SWANS-LL-2015-001

Beschreibung des Sachverhaltes

Pilot 1:

„Wir hatten einen Near-Miss mit einem anderen Helikopter über Interlaken im Luftraum GOLF. Wir waren in Funkkontakt mit Meiringen TWR, jedoch ausserhalb der CTR. Unser Landelicht war ON. Beide Helikopter waren nicht mit TCAS/Flarm ausgestattet. Den Abstand bei der Begegnung schätze ich auf 20m vertikal / 80m lateral. Der andere Pilot und ich haben anschliessend per Funk die Mobile-Nummern ausgetauscht und die Sache am Abend telefonisch besprochen und geklärt.“

Pilot 2:

„Über Interlaken sah der Pilot Flying auf 11 Uhr plötzlich einen Helikopter. Wir mussten annehmen, dass er unseren Flugweg ca. 20m höher und sinkend in einer horizontalen Entfernung von ca. 100 m von rechts nach links gekreuzt hatte. Wir sahen ihn erst nach der Kreuzung, weil ich als Pilot Non-Flying den Bereich über dem Flugplatz abgesucht hatte und danach mit Blick innerhalb des Cockpits den Aufruf und Anflug in Meiringen vorbereitete. Beim ersten Kontakt mit Meiringen wurden wir sofort über den anderen Helikopter in unserer Gegend informiert. Anschliessend tauschten wir über Funk die Telefonnummern aus und besprachen den Vorfall am Abend gemeinsam. Der andere Pilot sagte ebenfalls, dass er uns erst nach der Kreuzung der Flugwege gesehen hätte."

BAZL-Kommentar

Gültige Verordnung:

Gültigkeit hat die Verordnung des UVEK über die Verkehrsregeln für Luftfahrzeuge (VRV-L) vom 20. Mai 2015, 748.121.11, Zweites Kapitel, 2. Abschnitt, Verhütung von Zusammenstössen, Art. 11-15.

Wie die Beschreibung des Vorfalls durch die SWANS-Melder zeigt, können gefährliche Annäherungen und Zusammenstösse im Luftraum G und E auf Grund der Grenzen des menschlichen Wahrnehmungsvermögens nicht völlig verhindert aber bei gewissenhafter Anwendung von "see & avoid" deutlich reduziert werden.

Empfehlungen des BAZL für die visuelle Luftraumüberwachung durch die Piloten:

Bei der Flugvorbereitung:

  • Sich bei der Flugplanung bewusst machen, durch welche Gebiete der geplante Flug führt: Segelfluggebiete, Fallschirmabsprungzonen, An-/Abflugzonen stark frequentierter Flugplätze, Militärflugplätze, IFR An-/Abflugzonen, VORs mit hohem Verkehrsaufkommen, etc.
  • Bewusstsein über die Zeitspanne zwischen dem Erkennen eines Flugzeugs auf Kollisionskurs und dem Beginn des Ausweichmanövers: durchschnittlich 12,5 Sekunden.
  • Sich bewusst sein, dass Flugzeuge auf frontalem Kollisionskurs auf Grund der sich kaum bewegenden Silhouette besonders schwer zu erkennen sind (stehende Peilung), die Annäherung jedoch besonders schnell erfolgt, weil sich beide Geschwindigkeiten addieren.
  • Richtige Einschätzung der atmosphärischen Bedingungen, die Einfluss auf die Distanz, in der ein Flugzeug erkennbar wird, haben (Gegenlicht, Dunst, Dämmerung, etc.).
  • Bewusstsein über wenig kontrastreichen Hintergrund wie uneinheitliches Gelände, Schneefelder, etc.

Im Cockpit:

  • Head-down Zeiten im Cockpit auf ein absolutes Minimum beschränken.
  • Mitfliegende um Mithilfe bei der visuellen Luftraumüberwachung bitten.
  • Ablenkung durch mitgeführte technologische Geräte (Mobiltelefon, Tablet Computer, GPS-Handgeräte, etc.) vermeiden.
  • Zusätzliche Geräte nicht an der Cockpitscheibe anbringen um das Blickfeld nicht einzuschränken.
  • Geeignete Methoden für die visuelle Luftraumüberwachung anwenden, z.B. EGAST.
  • Kopf bewegen um den Blickwinkel der Augen zu erweitern und z.B. den von Brillenrändern oder Cockpitverstrebungen verdeckten Teil des Luftraums visuell erfassen zu können.
  • Augen für räumliches und deutliches Sehen (Nah-/Fernanpassung) trainieren.

Während des Fluges:

  • Einhalten der vorgeschriebenen Minimalsicht, Wolkenabstände, Mindestflughöhen und Geschwindigkeiten.
  • Ständige Bereitschaft, den Flugweg anzupassen oder auszuweichen beim plötzlichen Auftauchen eines Flugzeugs aus den Wolken, einem engen Tal, über einem Bergkamm, etc.
  • Einschalten des Transponders auch unterhalb 7000ft AMSL (Code 7000) um von ATC erkannt zu werden, denn ATC traffic info an IFR-Flüge erhöht die Chancen, ein Luftfahrzeug auf Kollisionskurs zu erkennen um das 8-fache.
  • Beim Überfliegen von regionalen Flugplätzen Mithören des Sprechfunks anderer Verkehrsteilnehmer und wiederholt Blindmeldungen (Position, Flughöhe, Absicht) auf der Flughafenfrequenz absetzen, das Gleiche gilt für die Gebirgsfrequenz 130.350MHz.
  • Im Funkverkehr stets Standard Phraseologie verwenden um von Mithörenden leicht verstanden zu werden.
  • Lichter einschalten um besser gesehen zu werden.
  • Einschalten von an Bord vorhandenen Hilfsmitteln zur Reduzierung gefährlicher Annäherungen (ACAS, TAS, Transponder, FLARM, FLOICE, etc.).

Weiterführende Informationen

Kontakt

Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL

Sicherheits- und Risikomanagement (SRM)
3003 Bern

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